Schleudertrauma

Ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule – auch als Peitschenschlagsyndrom oder Halswirbelsäulensyndrom (HWS) bezeichnet – ist häufig die Folge eines Verkehrsunfalls. Die Diagnose Schleudertrauma wird in Deutschland jährlich rund 200.000 Mal gestellt. Versicherungen zahlen für unfallbedingte Schleudertraumen jährlich etwa eine halbe Milliarde Euro Schmerzensgeld.  

Die Verletzung führt zu körperlichen und psychischen Beschwerden, die auch chronisch werden können. Den subjektiv empfundenen Symptomen lassen sich jedoch meist keine eindeutigen medizinischen Befunde zuordnen, da bei einem Schleudertrauma weder Knochenbrüche noch Muskel- oder Bänderrisse vorliegen.   

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Symptome eines Schleudertraumas

Akutes Schleudertrauma

Hauptsymptom eines akuten Schleudertraumas sind heftige Kopf- und Nackenschmerzen, verbunden mit Bewegungseinschränkungen des Halses („steifer Nacken“). Die Nackenschmerzen können auch in Schultern und Arme ausstrahlen. Darüber hinaus können Missempfindungen wie Kribbeln oder Taubheit im Gesicht und in den Armen auftreten. Schwindel, Hörstörungen, Tinnitus, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Schluckstörungen oder Schmerzen in den Kiefergelenken können hinzukommen. Die Symptome entwickeln sich oft erst Stunden nach dem auslösenden Unfall und klingen normalerweise über mehrere Tage bis wenige Wochen langsam ab.   

Chronisches Schleudertrauma

In etwa 10 Prozent der Fälle verschwinden die durch das Schleudertrauma verursachten Beschwerden auch nach Monaten nicht. Betroffene leiden weiterhin unter Schmerzen, sensorischen Störungen und psychischen Beschwerden. 

Schleudertrauma bei Babys 

Das durch Schütteln hervorgerufene Schleudertrauma bei Babys ist eigentlich kein Schleudertrauma und betrifft auch nicht in erster Linie die Halswirbelsäule. Es handelt sich um ein eigenständiges Krankheitsbild, das als Schütteltrauma bezeichnet wird. Im Gegensatz zum Schleudertrauma lassen sich nach einem Schütteltrauma schwerste Verletzungen des Gehirns nachweisen, die zum Tod oder zu bleibenden schweren Behinderungen führen können.

Ursachen eines Schleudertraumas

Das Bild zeigt eine Frau nach einem Autounfall, die sich den Nacken hält.
Die mit Abstand häufigste Ursache für ein Schleudertrauma ist ein Aufprallunfall. Der Sicherheitsgurt fixiert den Oberkörper, nicht jedoch den Kopf. | © monkeybusinessimages

Ein Schleudertrauma entsteht durch eine ruckartige, sehr rasche Beschleunigung des Kopfes relativ zum Oberkörper. Die meisten diagnostizierten Schleudertraumen werden durch Verkehrsunfälle verursacht. Sowohl Auffahrunfälle als auch seitliche und frontale Kollisionen können zu einem Schleudertrauma führen. Demgegenüber entstehen bei Sportunfällen, wie etwa bei einem Sturz auf der Skipiste, wesentlich seltener Schleudertraumen, obwohl dort aus biomechanischer Sicht ganz ähnliche Kräfte wirken.  

Bei einem Heckaufprall, der häufigsten Ursache eines Schleudertraumas, wird der Kopf der Insassen des gestoßenen Fahrzeuges durch die Trägheit zunächst nach hinten und wenige Millisekunden später wieder nach vorn geschleudert. Dabei wird der Hals in beide Richtungen überdehnt. Die wirkenden Kräfte belasten Muskeln, Bänder und in schweren Fällen auch Gelenke und knöcherne Strukturen der Halswirbelsäule. Es kann zu kleinen Verletzungen kommen, die jedoch mit den standardmäßig angewendeten bildgebenden Verfahren in der Regel nicht zu diagnostizieren sind. Auch Nervenschäden durch Quetschung des Rückenmarks oder der aus der Halswirbelsäule abzweigenden Nerven können vorkommen.  

Ursachen eines chronisches Schleudertraumas 

Mediziner sind heute überwiegend der Auffassung, dass bei der Chronifizierung von Schleudertrauma-Beschwerden ohne nachweisbare Verletzungen Verhalten, Erwartungen und Einstellungen von Patient:innen, Ärzt:innen und Gesellschaft eine wichtige Rolle zukommt. Zu den Einflussfaktoren gehören demnach das subjektive Unfallerleben, Stress, Ängste und Schonverhalten, aber auch sogenannte soziale Verstärkersysteme. Dazu zählen beispielsweise von den Versicherungen für erlittene Schleudertraumen gezahlte Entschädigungssummen oder längerfristige Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen, die von Ärzten ohne Behandlungskonzept ausgestellt werden. Auch das Medieninteresse am Thema kann eine Rolle spielen. Für diese Sichtweise spricht unter anderem, dass sich die Häufigkeit von chronischen Schleudertrauma-Syndromen in verschiedenen Ländern bei ähnlicher Unfallstatistik erheblich unterscheidet. 

Behandlung eines Schleudertraumas

Ein Schleudertrauma wird heute höchstens kurzfristig mit einer immobilisierenden Schaumstoff-Halskrause behandelt. Der Fokus der Behandlung der Schleudertrauma-Folgen liegt auf baldiger Mobilisierung und Rückkehr zum normalen Bewegungsverhalten. Ganz wichtig ist dabei eine wirksame Schmerzbehandlung: Eingesetzt werden Paracetamol, Acetylsalicylsäure oder Diclofenac, Ibuprofen und weitere nichtsteroidale Antirheumatika. Im Frühstadium der Symptome hilft eine kalte Kompresse gegen die Schmerzen. Später tragen Wärme, Massagen, Elektrotherapie und Bewegungsübungen zur Lockerung der Muskulatur bei. Befristet können auch Muskelrelaxantien wie Tolperison eingesetzt werden.  

Bei anhaltenden Schmerzen kann das Betäubungsmittel Lidocain in die Nackenmuskulatur injiziert werden. Auch die Injektion entzündungshemmender Glukokortikoide lindert häufig die Beschwerden. 

Um eine Chronifizierung der Symptome zu verhindern, können Antidepressiva zur Schmerzmodulation verschrieben werden. Bei langwierigen Schleudertrauma-Beschwerden wurden mit verhaltenstherapeutischen Methoden zur Schmerz- und Stressbewältigung gute Erfahrungen gemacht. Auch Physiotherapie kann sinnvoll sein. 

Risikofaktoren eines Schleudertraumas

Das Risiko eines Schleudertraumas besteht insbesondere bei Auto- und Sportunfällen. 

Für die Chronifizierung eines Schleudertraumas gibt es eine Reihe von Risikofaktoren. Dazu gehören in erster Linie: 

  • weibliches Geschlecht
  • höheres Lebensalter
  • Schleudertrauma zu Beginn mit sehr starken, ausstrahlenden Schmerzen, stark eingeschränkter Beweglichkeit der Halswirbelsäule und Schlaf-, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
  • psychologische Faktoren wie ein traumatisches Unfallerleben, Depressionen oder psychische Belastungen in der Familie oder am Arbeitsplatz 

Auch Schonverhalten kann dazu beitragen, dass Schleudertrauma-Folgen chronisch werden. Dazu gehört übrigens auch das langfristige Tragen der früher oft verordneten Halskrausen. 

Vorbeugung von Schleudertrauma

Eine korrekt eingestellte Kopfstütze im Auto kann der Entstehung eines Schleudertraumas in gewissem Maße vorbeugen. Ziehen Sie die Kopfstütze so weit heraus, dass sie mit dem Oberkopf abschließt und wirklich den Kopf (und nicht den Nacken) stützt. Stellen Sie die Sitzlehne möglichst aufrecht ein, um den Abstand zwischen Kopfstütze und Hinterkopf zu minimieren. Auf diese Weise verkürzt sich den Weg, den der Kopf bei einem plötzlichen Heckaufprall nach hinten zurücklegt, bis er von der Kopfstütze aufgefangen wird. 

Wie kann mir Doktor.De bei einem Schleudertrauma helfen?

Wenn Sie vermuten, ein Schleudertrauma zu haben oder an Spätfolgen eines Schleudertraums leiden, können die mit Doktor.De kooperierenden Mediziner:innen Ihre Symptome beurteilen und Sie zum weiteren Vorgehen beraten.  

Quelleninformationen: 

Dieser Text wurde von Mediziner:innen geprüft und entspricht medizinischen Leitlinien. 

Weber: Unfallanalyse und Biomechanik – Zur Bedeutung unfallanalytischer Gutachten für die medizinische Einschätzung der Schwere von Wirbelsäulenverletzungen. Der Orthopäde (2010).

Partheni et al.: A prospective cohort study of the outcome of acute whiplash injury in Greece. Clinical and Experimental Rheumatology (2000).

Deutsche Gesellschaft für Neurologie: Leitlinie Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule (2021).

Heiko Haupt: Schmerzhaftes Schleudertrauma – Mit dem Kopf im Nacken.

Letztes Update: 2023-04-04